Einleitung
Borussia Mönchengladbach taumelt. Noch kein Sieg, Tabellenletzter, ein 0:4 gegen Bremen und zuletzt das spektakuläre, aber bittere 4:6 gegen Frankfurt – die Borussia erlebt den schwächsten Saisonstart seit Jahren. Die Fans sind frustriert, die Medien zerlegen den Club in ihre Einzelteile, und die Bundesliga reibt sich verwundert die Augen, wie ein Traditionsverein so schnell in eine Abwärtsspirale geraten konnte. Doch jenseits von Emotionen und Schlagzeilen geht es um eine entscheidende Frage: Was läuft auf dem Platz eigentlich schief? Welche taktischen Schwächen haben die Fohlen in diese Lage gebracht? Und vor allem – wie kann man diesen Negativlauf beenden, bevor die Saison endgültig verloren scheint?
Taktische Schwächen - Wo Gladbach auseinanderfällt
Schaut man auf die Spiele der letzten Wochen, erkennt man ein Muster: Gladbach kassiert zu viele Gegentore, wirkt im Mittelfeld anfällig und im Angriff ideenlos. Besonders deutlich zeigte sich das beim wilden Schlagabtausch gegen Frankfurt, als die Mannschaft zwar vier Treffer erzielte, hinten aber völlig auseinanderbrach. Es ist ein Sinnbild für die aktuelle Situation: Offensiv blitzt vereinzelt Qualität auf, defensiv fehlt jegliche Stabilität.
Die Abwehr ist dabei das größte Sorgenkind. Immer wieder öffnen sich Räume bei gegnerischen Kontern, weil die Rückwärtsbewegung nicht abgestimmt ist. Außenverteidiger schalten sich nach vorne ein, ohne dass jemand absichert, und schon entstehen brandgefährliche Situationen. Hinzu kommt, dass die Viererkette zu oft unsauber verschiebt, Kommunikation und Abstimmung fehlen und Gegenspieler dadurch viel zu leicht in die Tiefe kommen. Auch bei Standards wirkt Gladbach verwundbar, sei es durch unklare Zuordnungen oder fehlende Präsenz im Kopfballduell.
Im Mittelfeld setzt sich die Problematik fort. Ballverluste in gefährlichen Zonen sind an der Tagesordnung, und das liegt nicht nur an individuellen Fehlern, sondern auch an fehlender Struktur. Es gibt kaum klare Übergänge zwischen Defensive und Offensive. Gleichzeitig fehlen Spieler, die das Tempo diktieren, das Spiel beruhigen oder kreative Impulse setzen. Stattdessen wirkt das Mittelfeld wie ein Durchgangskorridor, in dem der Ball schnell verloren geht.
Und auch in der Offensive bleiben die Ansätze blass. Zwar entstehen Torchancen, doch sie werden zu selten genutzt. Es fehlt an einem echten Vollstrecker, der die Angriffe zuverlässig vollendet. Der Ausfall von Tim Kleindienst verschärft die Angriffskrise weiter. Vieles läuft über die Flügel, doch die Hereingaben sind zu ungenau und leicht zu verteidigen. Wenn die erste Idee nicht funktioniert, fehlt die Variation. So entsteht der Eindruck, dass Gladbach zwar bemüht, aber selten zwingend spielt – und genau das spiegelt sich in der Torausbeute wider.
Der Trainerwechsel - Hoffnungsschimmer oder neue Unruhe?
Nach dem katastrophalen Saisonstart zog der Verein die Notbremse und trennte sich von Gerardo Seoane. Der Schweizer war im Sommer 2023 angetreten, um Gladbach zu modernisieren und auf Ballbesitzfußball zu setzen. Doch seine Philosophie blieb Stückwerk. Zu häufig wirkte die Mannschaft im Aufbau ideenlos, zu anfällig in der Defensive und zu harmlos, sobald der Gegner Druck ausübte. Die Entlassung kam nach dem 0:4 gegen Bremen nicht überraschend – vielmehr war es der Versuch, das Ruder noch einmal herumzureißen, bevor die Saison völlig entgleitet.
Interimstrainer Eugen Polanski, zuvor Coach der U23, hat die schwierige Aufgabe übernommen, kurzfristig Stabilität zu schaffen. Erste Stimmen aus dem Team bescheinigen ihm, dass er neuen Schwung und Energie mitgebracht hat. Spieler berichten, dass das Training intensiver wirkt, die Kommunikation klarer ist und der Konkurrenzkampf innerhalb des Kaders neu belebt wurde. Dennoch sind Polanskis Möglichkeiten begrenzt. In kurzer Zeit lässt sich kein grundlegendes taktisches Konzept errichten und die personellen Schwächen bleiben bestehen. Ob Polanski mehr ist als ein Übergangstrainer, hängt nicht nur von Ergebnissen ab, sondern auch davon, wie viel Rückhalt er von Vereinsseite bekommt.
Management im Umbruch - Der Rücktritt von Virkus
Während die sportliche Krise eskaliert, folgt die nächste Hiobsbotschaft: Roland Virkus tritt als Geschäftsführer Sport zurück. Für Gladbach ist das ein tiefer Einschnitt, schließlich war Virkus nicht nur Entscheidungsträger in Transferfragen, sondern auch eine Art Gesicht des Umbruchs nach dem Abgang von Max Eberl. Sein Rückzug wirft Fragen auf: Wer gibt künftig die sportliche Richtung vor? Wer definiert die Philosophie, die auch ein neuer Trainer verkörpern soll?
Für den Verein bedeutet diese Führungslücke zusätzliche Unsicherheit. Ohne klare Verantwortlichkeiten droht die sportliche Linie noch diffuser zu werden. Gerade in einer Situation, in der es schnelle, aber auch strategische Entscheidungen braucht – etwa in der Frage nach einer dauerhaften Trainerlösung oder notwendigen Verstärkungen im Winter – ist ein stabiles Management unverzichtbar. Dass Gladbach in dieser Phase sowohl sportlich als auch strukturell im Umbruch steckt, verstärkt den Druck auf alle Beteiligten.
Was jetzt zu tun wäre
Um aus dieser Krise herauszufinden, muss Gladbach zurück zu den Grundlagen. Defensive Stabilität ist das Fundament, auf dem alles aufbaut. Die Mannschaft braucht klare Abläufe für Umschaltmomente, eine bessere Absicherung der Außenbahnen und eine konsequentere Arbeit gegen den Ball. Ein einfacheres, kompakteres Defensivsystem würde helfen, die Flut an Gegentoren zu stoppen und das Team wieder ins Spiel zu bringen.
Parallel dazu sollte das Mittelfeld gezielt gestärkt werden. Ein Spieler, der als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive fungiert, ist dringend notwendig. Fehlt dieser Typ im Kader, müssen Rollen neu definiert oder junge Spieler mutig eingebunden werden. In der Offensive wiederum braucht es mehr Klarheit im letzten Drittel. Standardsituationen könnten kurzfristig ein Mittel sein, um trotz unsicherer Spielanlage Tore zu erzwingen und das Momentum zu drehen.
Langfristig wird Gladbach jedoch nicht drumherum kommen, strukturelle Fragen zu beantworten. Welcher Trainer soll das Projekt dauerhaft übernehmen? Welche Spielphilosophie will der Club verfolgen? Und wie wird das Management neu aufgestellt, um Planungssicherheit zu gewährleisten? Nur wenn diese Fragen geklärt werden, kann sich Borussia Mönchengladbach von einer taumelnden Mannschaft zurück zu einem stabilen Bundesligisten entwickeln.
Fazit
Die Krise der Borussia ist tief, aber nicht hoffnungslos. Spielerisch fehlt es an Struktur, defensiv an Stabilität und organisatorisch an Klarheit. Doch gerade in dieser Situation steckt auch die Chance auf einen echten Neustart. Wenn die Verantwortlichen es schaffen, die Defensive zu stabilisieren, das Mittelfeld zu ordnen und gleichzeitig eine klare Führungslinie im Management zu etablieren, könnte die Wende gelingen. Bis dahin jedoch bleibt Gladbach ein Sinnbild dafür, wie schnell ein Traditionsverein in Schieflage geraten kann – und wie wichtig es ist, die richtigen Lehren daraus zu ziehen.